Berlin – Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der AfD-Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung. Das stellt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in einer Studie fest: „Dieses Paradox scheint mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler*innen und mit einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität zusammenzuhängen“, schreibt er.

Die Zustimmung zur AfD sei vor allem unter Menschen in Ostdeutschland überdurchschnittlich hoch, vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen, die unter Abwanderung leiden und ökonomisch abgehängt zu werden drohen. Dabei zeigten zwei wissenschaftliche Analysen des DIW Berlin, dass die demografischen Faktoren den hohen Stimmenanteil der AfD in Bundestagswahlen und der Europawahl am deutlichsten erklären. Die AfD schneide also besser in Wahlkreisen ab, in denen die Perspektivlosigkeit groß ist, die Chancen für junge Menschen gering sind und durch deren Abwanderung wichtige Infrastrukturen für Familien und Kinder – und damit auch für Unternehmen – schlechter werden oder verschwinden. Auch eine größere wirtschaftliche Verletzlichkeit und geringere Diversität von Regionen sind mit einer stärkeren Unterstützung der AfD verbunden.

„Die Widersprüche zwischen den Interessen der AfD-Wählenden und den Positionen der AfD könnten kaum größer sein“, schlussfolgert Fratzscher aus der DIW-Analyse. Steuersenkungen für die Spitzenverdienende, niedrigere Löhne für Geringverdienende und eine Beschneidung der Sozialsysteme würden Menschen, die AfD wählen, viel stärker negativ treffen als die Anhänger der meisten anderen Parteien. „Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von AfD-Wähler*innen hin zu den Wähler*innen anderer Parteien“, so Fratzscher. Dies würde die ohnehin schon häufig am Rande der Gesellschaft stehenden AfD-Wählenden noch stärker marginalisieren und ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe beschneiden.