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Meinung

Europawahl: Und immer wieder diese Jüngeren

Berlin – Wen wählten Jüngere und Ältere bei der Europawahl 2024? Die Frage hat sich infratest dimap gestellt. Und was verrät ein Blick auf die Zahlen? 16 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren in Deutschland wählen bei der Europawahl die AfD. Nur bei den 60- und 70-Jährigen liegen die Prozente niedriger.

Nun geht landauf und landab die Rätselei los, warum diese Jüngeren nur so falsch liegen, wenn sie ihr Kreuz auf dem Stimmzettel setzen. Einen „Rechtsruck“ in der jungen Bevölkerung hatte im April schon die Studie „Jugend in Deutschland“ ausgemacht. Und die Studie „Junges Europa 2024“ stellte im Juni fest, dass ein Viertel junger Menschen bei der Europawahl AfD wählen würde.

Aber wer sind die Jüngeren eigentlich? In Dresden schlägt im Mai ein 17-Jähriger einen SPD-Politiker beim Plakataufhängen mit der Faust krankenhausreif. Er steht der rechtsextremen Gruppierung „Elblandrevolte“ nahe, die Demokratiekundgebungen aufgemischt haben soll und Bahnreisende bedroht und attackiert. Bei Jugend forscht gewinnt im Juni ein 18-Jähriger aus Baden-Württemberg, der ein motorgesteuertes Stimmgerät konstruierte, mit dem sich Violinsaiten automatisch auf die richtige Frequenz bringen lassen.

Zwei jüngere Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wir können uns denken, dass sie nicht ohne Grund soweit auseinanderliegen in ihrem Verhalten: Elternhaus, Kindheit, Vorbilder, Umfeld, Schulform, Osten, Westen und noch viele andere Faktoren mehr, die sich auswirken auf das, was aus einem jungen Menschen wird.

Alle rufen jetzt nach der Politik, die endlich handeln soll. Ist das richtig? Schafft Politik nicht einen Rahmen, in dem wir handeln? Wenn ein Kind aufwächst, Jugendlicher ist und schließlich erwachsen wird, sind Eltern, Kita, Schule und das berühmte „Dorf“ prägend, in dem sie leben. Dass diese „Begleiter“ funktionieren, dass sie ein Kind in eine gute Richtung begleiten, die Extreme wie der Faustschlag in Dresden schon im Ursprung verhindern können, dafür muss Politik den Rahmen schaffen.

Heute ist die Studie „SINUS-Jugenstudie 2024“ auf den Markt gekommen, eine qualitativ-empirische Bestandsaufnahme der soziokulturellen Verfassung der jungen Generation. 72 qualitative Fallstudien mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren wurden dafür deutschlandweit von Anfang Juni bis Ende September 2023 durchgeführt. Die Untersuchung fragt: „Wie ticken Jugendliche?“

Interessantes Ergebnis: Die „bürgerliche Normalbiografie“ ist laut der Studie immer noch Leitmotiv vieler Teenager. An der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit und der hohen Wertschätzung von Familie hat sich angeblich nichts geändert. Dieses als „Regrounding“ bekannte Phänomen sei nach wie vor ein starker Trend. Der Aspekt des Bewahrenden und Nachhaltigen ist für viele Jugendliche sogar noch wichtiger geworden.

Aha, es gibt also durchaus neben dem angeblichen Rechtsruck einen Anker bei jungen Menschen, den wir greifen können, um sie in die, aus Sicht einer freiheitlichen Demokratie richtige Richtung zu bewegen. In einem bin ich mir auch deshalb sicher: Während wir manchen alten Nörgler in diesem Land niemals mehr davon abbringen werden, sein Kreuz bei der AfD zu setzen, ist das bei einem 16-Jährigen, der bei der Europawahl zum ersten Mal die AfD wählte, immer noch möglich.

Denn: „Vielen Jugendlichen ist gar nicht bewusst, wie extrem rechts die AfD ist“, sagt die 18-jährige Louisa Basner von der Bundesschülerkonferenz im SPIEGEL-Interview.

Vielleicht müssen wir wieder mehr reden statt chatten und surfen, mit Jüngeren.

Grafik: infratest dimap

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