Studien

Agitation der AfD ist keine demokratische Oppositionsarbeit

Frankfurt/Main – „Agitation ist eine Form der politischen Rede, die allein darauf aus ist, Unzufriedenheit, Misstrauen und Aggressionen zu befördern“, erklärte Ulf Bohmann, Professor für soziologische Theorien an der Technischen Universität Chemnitz, bei der Vorstellung einer neuen Studie der Otto Brenner Stiftung mit dem Titel „‚Falsche Propheten‘ in Sachsen. Extrem rechte Agitation im Landtag“, gemeint ist die AfD. Er ist zusammen mit den Soziologen Moritz Heinrich (TU Chemnitz) und Matthias Sommer von der Universität Göttingen Autor der Studie.

Bohrmann zeigte sich überrascht, wie „ausgeprägt die extreme Rechte im Sächsischen Landtag auch unter eigentlich zur Mäßigung anhaltenden parlamentarischen Bedingungen ihre agitatorische Rhetorik nutzt“. Die Wissenschaftler hatten 84 Parlamentsreden aus der aktuellen Legislaturperiode des sächsischen Landtages 2019 bis 2024 ausgewertet. In diesen würden Migration, Klimaschutz und Gleichstellungspolitik wiederkehrend als massive, verdrängende und überwältigende Bedrohungen für Sachsen dargestellt. Die Menschen in Sachsen spreche die AfD darin als Mitglieder einer völkischen Gemeinschaft an, die in ihrer Substanz angegriffen werde.

„Die Agitation der AfD ist keine demokratische Oppositionsarbeit, in den agitatorischen Reden geht es nicht um konstruktive Politik, sondern darum, vermeintlich Schuldige für Krisenerfahrungen zu benennen und einen Opfermythos zu verbreiten“, sagte Moritz Heinrich. In einer Wir-gegen-Sie-Logik würden Ressentiments, Wut, Angst und entsprechende Abwehrreaktionen besonders gegen Migrantinnen und Migranten, gegen Menschen in der Geschlechterforschung, gegen LGBTQ* sowie gegen die Grünen befeuert. In ihrer Selbstdarstellung zeichne sich die AfD als eine Bewegung der „einfachen Leute“ und nehme darin zentrale Motive auf, die die Inszenierung der Führerfigur im Faschismus des 20. Jahrhunderts auszeichnete.

Die Grünen stehen den Autoren der Studie nach speziell im Fokus: Sie würden als Ursache für das heraufbeschworene Unheil benannt. Als böswillige und gefährliche Elite arbeite die Partei systematisch an der Täuschung der Menschen, ihre „Ideologie“ hätte sie bereits über alle parteipolitischen Lager hinweg durchgesetzt. In der Feindbildkonstruktion würden immer wieder auch Assoziationen zur DDR-Vergangenheit aufgerufen, um diese mit der Gegenwart gleichzusetzen und eine kommende „Ökodiktatur“ vorherzusagen.

„Die einfache Aufteilung der Welt in Gut und Böse, insinuierende Infragestellungen, alles in Zweifel ziehen und sich selbst als einzigen Träger der Wahrheit inszenieren: Das zeichnet Agitatoren als falsche Propheten aus“, fasst Matthias Sommer einige der zentralen rhetorischen Techniken extrem rechter Agitation zusammen.

Zwar ist laut Otto Brenner Stiftung Agitation kennzeichnend für die extreme Rechte, bleibe aber nicht auf sie beschränkt. Stiftungs-Geschäftsführer Jupp Legrand sieht die Studienergebnisse deshalb über die anstehende Landtagswahl hinaus von Bedeutung: „In der politischen Auseinandersetzung lässt sich eine Zunahme agitatorischer Techniken beobachten, das ist eine fatale Entwicklung, die den demokratischen Diskurs zersetzt.“ Indem die Studie zentrale Elemente agitatorischer Mobilisierung herausarbeite, leiste sie auch einen wichtigen Beitrag für die politische Bildung.

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