Für das rechtsextreme Compact-Magazin endet heute die Pressefreiheit
Berlin – „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Das legt unser Grundgesetz in Artikel 5 fest. Diese Freiheit gilt ab heute nicht mehr für das Compact-Magazin, ein seit Jahren unter Fachleuten unbestritten rechtsextremestisches Magazin.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das Magazin und die dazugehörige Conspect Film GmbH verboten, wie das Ministerium mitteilt. „Es ist ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, so Faeser: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“
Seit den frühen Morgenstunden hätten rund 340 Einsatzkräfte Liegenschaften der Organisationen in Falkensee und Werder an der Havel in Brandenburg und in Battenberg/Eder in Hessen sowie Wohnungen von zehn führenden Akteuren in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen durchsucht. Auf richterliche Anordnung seien 14 Objekte durchsucht worden.
Beschlagnahmt wurden laut Ministerium Magazine, Smartphones, IT, Bargeld, Gold, Datenträger, Dokumente, Merchandising-Artikel und sonstige im Online-Shop des Vereins vertriebene Produkte, Bühnentechnik, Fahrzeuge, Büromöbel, Firmenkonten und Kontounterlagen. Webseiten habe man gesperrt. Social Media-Plattformen, auf denen die verbotene rechtsextremistische Organisation Kanäle betreibt, seien wegen ihrer Abschaltung kontaktiert worden.
Die Empörung bei der AfD ist erwartungsgemäß groß: „Ein Presseorgan zu verbieten, bedeutet eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt“, so AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla. Das Verbot des Magazins sei ein „schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit“. Ministerin Faeser sieht hingegen im Verbot einen „harten Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“.
Vielleicht sollten die beiden AfD-Granden den zweiten Absatz des Artikels 5 nachlesen: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Zur Not gibt es auch Online-Angebote, die den Paragraf in leichte Sprache übersetzen: „Man darf seine Meinung nicht so sagen, dass man die Rechte von anderen Menschen verletzt. Man darf zum Beispiel keinen Hass verbreiten. Man darf nicht dazu aufrufen, Verbrechen zu begehen.“
Genau diese Grenze verletzen AfD-Politiker seit Jahren bewusst, um zu provozieren und um Anhänger zu mobilisieren. Björn Höcke, Thüringens AfD-Chef, ist darin Experte, gerichtlich schon oftmals bestätigt. Auch das monatlich erscheinende Compact-Magazin mit einer Auflage von zuletzt 40.000 Ausgaben machte das, propagierte ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept, das „ethnisch Fremde“ aus dem Staatsvolk ausschließen will. „Die Menschenwürde derer wird missachtet, die nicht in dieses ethnische Konzept passen“, so Ministerin Nancy Faeser heute.
Auch war eine zentrale Rolle des Magazins die Popularisierung und weitreichende Verbreitung des rechtsextremistischen Gedankenguts der „Neuen Rechten“. Deshalb sieht das Ministerium in der verbotenen Compact-Magazin GmbH einen „zentralen Akteur bei der Vernetzung der ‚Neuen Rechten'“. So weise die Vereinigung enge Verbindungen zur rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ und zum rechtsextremistischen Parteienspektrum auf.
Chefredakteur des Magazins war Jürgen Elsässer, seine Wohnung wurde heute von der Polizei durchsucht. Seit 2015 präsentierte sich Compact unter ihm als Sprachrohr der AfD und der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Seit Dezember 2021 listete der Bundesverfassungsschutz das Magazin als gesichert rechtsextremistisch, weil es Positionen und Aussagen in die Öffentlichkeit getragen habe, die eindeutig als völkisch-nationalistisch sowie minderheitenfeindlich zu bewerten seien.
Welche Rolle hatte Compact
Am Ende des Tages können wir verschiedener Meinung sein: Pressefreiheit ist ein hohes Gut, Medien sind die vierte Macht in unserer Demokratie, die Politikern auf die Hände schaut. Ob Compact diese Rolle ausgefüllt hat, ist fraglich. Daher kann ein Verbot die richtige Reaktion sein, gerade in einem Jahr, in dem sich die AfD anschickt, Sachsen und Thüringen nach ihrem sehnlich erwünschten Wahlsieg im September noch unattraktiver für Migrantinnen und Migranten zu machen.
Auf der anderen Seite ist es doch mit dem Compact-Magazin und seinen rechten Veranstaltungen so wie mit dem beliebten Drogenumschlagplatz inmitten einer Großstadt. Ihn zu zerschlagen bedeutet, die Drogenszene nicht mehr beobachten zu können, weil sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Sicher wird die Innenministerien vor ihrem heutigen Verbot beide Optionen gut abgewägt haben. Am Ende des Jahres, nach drei Landtagswahlen im Osten, wissen wir mehr.
Foto: BMI/Henning Schacht